Grußwort an die drei Rondenbarg-Angeklagten in der Schweiz

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Grußbotschaft von Angeklagten des G20-Rondenbarg-Verfahrens in der BRD an die drei Genoss*innen in Zürich, denen mit uns gemeinschaftlich die Teilnahme an einer Demonstration auf der Straße Rondenbarg in Hamburg 2017 vorgeworfen wird. Ihr Prozess fand im April 2021 statt und endete mit zwei Verurteilungen zu Geldstrafen. Ihre Prozesserklärung und weitere Infos unter anderem zur Vorgeschichte, zur Vorverurteilung und zum Prozessboykott findet sich auf: rotehilfech.noblogs.org und gemeinschaftlich.noblogs.org.

Soli-Erklärung

Liebe Genoss*innen,
wir grüßen euch! Und wir danken euch, für eure kämpferische, politische Erklärung und euren Boykott des Prozesses!

Wir möchten euch unsere Solidarität aussprechen. Die Abtretung des Verfahrens der Hamburger Staatsanwaltschaft an die Zürcher Staatsanwaltschaft trennt und vereinzelt uns nicht. Wir haben uns weder in Hamburg 2017 auf der Straße noch im Knast spalten lassen und wir stehen auch weiterhin zusammen im Kampf für eine Gesellschaft, in der alle Menschen gut leben können. Proteste sind nicht nur legitim, sie sind notwendig!

Mit dem Prozess gegen euch und den Verurteilungen, den Anklagen gegen uns alle, den etlichen G20-Verfahren und Haftstrafen, den Verfolgungen durch öffentliche Fahndungen oder Hausdurchsuchungen der vergangenen Jahre rächt sich der Staat daran, dass die Interessen der Kapitalist*innenklasse in Hamburg nicht protestlos ausgehandelt werden konnten. Stattdessen gingen Zehntausende auf die Straße. Und das trotz massiver Einschränkungen wie Demonstrations- und Campverbote. Damit wir die bestehende gesellschaftliche Ordnung nicht ins Wanken bringen, wird wie auch bei eurem Prozess wieder vermehrt auf kollektive Bestrafung gesetzt. Die einfache Anwesenheit auf der Demonstration reicht aus, euch zu kriminalisieren. Die Herrschenden haben allen Grund dazu, denn der Großteil der Menschen hat nichts von der auf Profit statt auf Bedürfnisse ausgerichteten Wirtschaft. Sie haben nichts vom dem durch ihre Hände erarbeiteten Reichtum, im Gegenteil leiden sie unter den Folgen der strukturellen Ausbeutung: Armut, Krieg, Unterdrückung.

Entsprechend ging es auf dem jährlichen Gipfeltreffen der Regierungs- und Staatschefs der zwanzig wirtschaftsstärksten Länder 2017 zum Beispiel um Privatisierungen von Infrastruktur und Öffnung von Märkten für ausländische Investoren in Ländern in Afrika. Die damit einhergegangenen neuen Investitionsmöglichkeiten und Absatzmärkte dienen der Ausplünderung durch reiche Staaten und Kapitalist*innen. Es ging um die Klärung widerstreitender Kapitalinteressen beim Warenhandel und um die Absicherung der Finanzmärkte. Die unvermeidlichen Krisen werden dann aber auf dem Rücken der besitzlosen Klasse ausgetragen. Auch Aspekte der Gesundheitsversorgung wurden verhandelt – natürlich nicht zum Nutzen aller Menschen, sondern um am marktorientierten Gesundheitssystem festzuhalten. Wohin das führt, sehen wir aktuell unter anderem an der Bewältigung der Sars-CoV-2-Pandemie – Patente und privater Gewinn statt Gesundheit für alle. Daran hielten die G20 auch weiterhin bei ihren letzten Zusammenkünften 2020/2021 fest. Und ihr kürzlich beschlossenes Schuldenmoratorium für arme Länder beinhaltet im Grunde, dass die aufgeschobenen Zahlungsforderungen später mit Zinsen zurückgezahlt werden müssen – abgesehen davon, dass ein Großteil der Schulden eh bei privaten „Gebern“ liegt, die sich daran nicht binden und auch mögliche Schuldenerlasse üblicherweise an Bedingungen geknüpft werden, die Abhängigkeiten verstärken.

In Anbetracht dieser Verhältnisse und Vorwürfen wie Landfriedensbruch lässt sich mal wieder fragen, wer hier eigentlich welchen und wessen Frieden bricht. Oder wie ihr auch in eurer Prozesserklärung geschrieben habt: von welcher Gewalt hier gesprochen wird. Das bereits im Herbst, noch vor Prozessbeginn verfasste Urteil von Richter Vogel gegen euch, zeigt erneut den Klassencharakter der bürgerlichen Justiz. Politiker wie Olaf Scholz schüren den Hass gegen uns und die juristischen Vertreter*innen des Staates führen ihn ordnungsgemäß aus. Ebenso wie rassistische und sexistische Gesetze, haben diese Verfahren natürlich politische Hintergründe – und auch eine solche auf blutigen Kämpfen aufgebaute Geschichte. Sie dienen dem Erhalt der Ausbeutung und der Macht der herrschenden Klasse. Dafür müssen solche Gipfel eben auch mit dutzenden Millionen Euro an Kosten und hochentwickelter Technologie wochenlang durch Polizei und Militär abgesichert werden.

Dieses System braucht und ruft Gewalt hervor. Das zeigt sich an den militarisierten, tödlichen Grenzen, an den hunderten Millionen von Menschen, die in extremer Armut leben und bei all jenen, die die Folgen von durchs Kapital geschürten Kriegen ertragen müssen – Verhältnisse, in denen Sexismus, Faschismus und Rassismus sich vortrefflich entfalten können. Deutlich wird das auch an der Zusammenarbeit bei Angriffen gegen emanzipatorische Bewegungen wie gegen den Freiheitskampf in Kurdistan oder der Zapatistas. Und natürlich sind die Ausbeutungsverhältnisse auch täglich vor unserer eigenen Haustür sichtbar, beziehungsweise dahinter: schlechte Wohnverhältnisse, Wohnungslosigkeit, Prekarisierung, Illegalisierung, Knast.

Wir haben großen Respekt vor eurem Protest im Gerichtssaal und eurer konsequenten Aussageverweigerung. Der Kampf für eine solidarische Gesellschaft geht weiter. Die Massen an Menschen, die sich überall und immer wieder gegen ihre Unterdrückung auflehnen, wissen, dass Freiheit noch nie einfach verschenkt wurde.
Für eine klassenlose Gesellschaft, in der keine Privatisierungen, sondern Vergesellschaftung vorangetrieben wird! In der wir nicht gezwungen sind, unsere Arbeitskraft zu verkaufen, deren Mehrwert sich die Kapitalist*innen aneignen, wobei wir selbst nur so viel erhalten, dass es gerade zu unserer Reproduktion reicht – und für viele nicht einmal dazu. Für eine Gesellschaft, in der Herrschaftsformen wie Rassismus und Sexismus keinen Platz haben und in der eine solidarische Gemeinschaft an die Stelle der kapitalistischen Eigentums- und Produktionsverhältnisse tritt. Für wirklichen Frieden!

Wir wünschen euch viel Kraft! Wir stehen zusammen, für ein gemeinsames besseres Leben für alle.
Wir danken allen, die uns und andere von Repression Betroffenen mit ihrer Solidaritätsarbeit unterstützen und senden kämpferische Grüße an all jene in der Welt, die sich gegen die inhumanen Zustände wehren – auf der Straße und in den Knästen!

Hoch die internationale Solidarität!

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