Versammlungsfreiheit vor Gericht: Dritte Auflage des Rondenbarg-Prozesses im Januar 2024

Fast sieben Jahre nach dem G20-Gipfel in Hamburg setzt die Hamburger Staatsanwaltschaft ihre Verfolgung der politischen Proteste fort. Im dritten Anlauf werden im sogenannten Rondenbarg-Verfahren ab Januar 2024 sechs Gipfelgegner*innen vor dem Hamburger Landgericht wegen ihrer Teilnahme an einer Demonstration angeklagt. In den vergangenen Jahren wurden bereits zwei weitere Verfahren in der Sache vorzeitig abgebrochen.

Für den am 18. Januar beginnenden Prozess sind vorläufig 25 Prozesstage bis August 2024 vor dem Landgericht Hamburg angesetzt. Die sechs Angeklagten kommen aus dem gesamten Bundesgebiet.

Die Angeklagten gehören zu den ca. 200 Demonstrant*innen, die am Morgen des 7. Juli 2017 in der Straße Rondenbarg in Hamburg-Bahrenfeld von einer BFE-Einheit ohne Vorwarnung angegriffen wurden, als sie auf dem Weg zu Blockadeaktionen waren. Bei dieser gewaltsamen Auflösung der Demonstration wurden zahlreiche Aktivist*innen verletzt, elf von ihnen schwer. Im Nachgang wurden keine Polizeibeamt*innen belangt, aber über 80 Demonstrationsteilnehmer*innen wegen schweren Landfriedensbruchs angeklagt.

In der Anklage stützt sich die Staatsanwaltschaft auf ein Konstrukt, das in der Rechtsprechung bislang nur für Fußball-Hooligans, nicht aber für politische Versammlungen genutzt wurde. Dabei müssen den einzelnen Personen keine eigenen strafbaren Handlungen nachgewiesen werden. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft genügt ihre bloße Anwesenheit, um ein gemeinsames Tathandeln zu unterstellen. Auch im anstehenden Verfahren werden den Angeklagten darüber hinaus keine konkreten Straftaten zugeordnet. Falls sich diese Rechtsauffassung durchsetzen sollte, wäre künftig jede Teilnahme an einer Demonstration mit enormen Kriminalisierungsrisiken verbunden. Vermeintliche Straftaten Einzelner könnten so allen vor Ort befindlichen Personen zugeschrieben werden.

„Die Groteske des Verfahrens zeigte sich schon von Anfang an darin, wie die Hamburger Polizei nach ihrem blutigen Angriff gegen die Demonstration im Rondenbarg die Vorgänge uminterpretiert hat“, erklärt Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der Roten Hilfe e.V. „Die Aktivist*innen, von denen etliche nach dem brutalen Einsatz im Krankenhaus behandelt werden mussten, sehen sich seither dem steten Damoklesschwert massiver staatlicher Repression ausgesetzt. Wie sich jetzt zeigt, kann diese auch sieben Jahre später einsetzen.“

In dem noch immer anhaltenden Verfolgungseifer der Hamburger Staatsanwaltschaft sieht Sommerfeld politische Motive. „Mit dem Verfahren zielt die Staatsanwaltschaft nur teilweise auf die Angeklagten, ihr eigentliches Ziel ist die Einschränkung der Versammlungsfreiheit und politischer Proteste. Das ist politische Justiz in Reinform. Als Rote Hilfe sind wir solidarisch mit allen Angeklagten und fordern die sofortige Einstellung des Verfahrens.“