Bericht vom 24. Prozesstag (03.09.24)

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Der letzte Prozesstag beginnt um 11:30 Uhr und findet wieder im großen Saal 237 statt. Es sind etwa 60 solidarische Prozessbeobachter*innen anwesend und viele Pressevertreter*innen, die mit den Prozessbeteiligten im vorderen Bereich des durch eine riesige Plexiglasscheibe aufgeteilten Staatsschutzsaals sitzen.

Richterin Boddin beginnt mit der Verlesung des Urteils. Die beiden Angeklagten werden wegen Landfriedensbruch in Tateinheit mit Beihilfe zu versuchter schwerer Körperverletzung, Beihilfe zu tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte und Beihilfe zu Sachbeschädigung zu 90 Tagessätzen zu je 15 Euro beziehungsweise 40 Euro verurteilt, wobei 40 Tagessätze bereits als vollstreckt gelten. Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens.

Daran anschließend folgt eine etwa zweistündige Urteilsbegründung der Richterin Boddin. Sieben Jahre ist es her, dass der G20-Gipfel nach Hamburg kam und mit ihm massenhafter Protest. Es habe wechselseitige Feindbilder gegeben. Die Leidtragenden des Ganzen seien die Menschen in Hamburg gewesen. Es habe eine Eskalation der Gewalt gegeben. Auf Unmutsbekundungen aus dem Publikum reagiert die Richterin indem sie sagt, sie empfiehlt auch wirklich mal zuzuhören was die andere Seite zu sagen habe. Es seien tiefe Wunden in die Stadt geschlagen worden.

Der 07.07.2017 in der Schnackenburgallee und am Rondenbarg sei zwar der Hamburger Bevölkerung nicht in Erinnerung geblieben, aber bei der Polizei, den Gerichten und der linken Szene. Es sei dort zwar im Vergleich zur Elbchaussee und der Schanze nicht viel passiert, es sei aber auch nicht nichts gewesen.

Die moderate Geldstrafe sei nicht das was die Staatsanwaltschaft vor sieben Jahren wollte. Dass das Stammpublikum des Prozesses nicht damit zufrieden sein wird, sei der Richterin klar. Das Gericht habe kein Interesse gehabt das Verfahren zu führen, sie haben es gemacht, weil es ihr Job sei und aus Pflichtbewusstsein. Im Publikum gibt es Widerspruch, die Richterin droht mit der Räumung des Saales.

Es habe ein Einstellungsangebot gegeben, welches die Angeklagten nicht angenommen haben. Die Angeklagten haben auch nicht mit dem Gericht gesprochen. Das Gericht sei vollkommen ergebnisoffen an den Prozess herangegangen. Die Anklage habe auf wackeligen Beinen gestanden. Das Gericht sei der Staatsanwältin Meesenburg nicht in allen Punkten gefolgt. Mit Handlungen gegen Privatpersonen und Bushaltestellen hätten die Angeklagten nicht rechnen können, da so etwas dem Aktionsbild von Fight G20 widersprechen würde.

Die entscheidenden Fragen in dem Verfahren seien gewesen: Womit haben die Angeklagten gerechnet? Haben sie etwas zum Geschehen beigetragen? Was wollten und wussten die Angeklagten?

Das Gericht kommt zu einem anderen Ergebnis als die Verteidigung. Laut dem Gericht sollte die Auseinandersetzung mit der Polizei nicht vermieden werden. Zwar war das Zusammentreffen mit der Blumberger Einheit zu früh, Zusammenstöße mit der Polizei seien aber grundsätzlich eingepreist gewesen. Es habe von Beginn an eine Unfriedlichkeit gegeben. Es habe deshalb auch keinen Kipppunkt gebraucht. Die Teilnehmenden des Schwarzen Fingers fühlten sich nicht an den Aktionskonsens von Color the Red Zone gebunden, sie hätten einen eigenen Aktionskonsens gehabt. Durch die Aufmachung, vor allem die Vermummung und das geschlossene Auftreten sollte Militanz zur Schau gestellt werden. Auf die Bevölkerung müsse eine solche düstere und geschlossene Formation eine beängstigende Wirkung entfalten. Dies wäre den Beteiligten bewusst gewesen und sie hätten es in Kauf genommen. Zivile Zeugen hätten Angst gehabt.

Richterin Boddin sagt, dass wer bei so etwas mitlaufe, habe nicht die Farbe unglücklich gewählt, sondern will Radikalität und Kompromisslosigkeit ausdrücken. So etwas müsse die Allgemeinheit nicht aushalten. Verurteilt werde die zur Schau getragene Militanz und nicht das Mitlaufen in einer Demonstration. Es handele sich hierbei um eine Einzelfall-Entscheidung.

Die Richterin erwähnt drei junge Frauen am Rondenbarg, die sie der Bonner Jugendbewegung zuordnet, von denen eine ein Ringelshirt angehabt habe, eine etwas khakifarbenes und die Dritte nur etwas dunkler gekleidet gewesen wäre. Sie würden nicht dazu passen und hätten somit keinen Tatbeitrag geleistet. Bei ihnen hätte es bei ihr einen Freispruch gegeben.

Richterin Boddin geht darauf ein, dass sich die Interventionistische Linke und Ende Gelände für das Verfahren interessieren. Rote, blaue und grüne Finger seien nicht durch das Verfahren gefährdet, da diese nicht bedrohlich aussehen würden. Die schwarze Formation von Personen würde auch Finger genannt werden, damit sollten sich die anderen Finger aber nicht gemeint fühlen. Wer sich sehr wohl unter Druck gesetzt fühlen sollte sind diejenigen, die gerne im Schwarzen Block mitlaufen.

Auf die Fernziele der Angeklagten und selbst wenn man ihr Anliegen sympathisch finden würde, könne keine Rücksicht darauf genommen werden. Wenn Rechte sich schwarz gekleidet durch die Straßen bewegen, wer bekäme da keine Angst. In diesem Falle müssten die gleichen Maßstäbe angelegt werden. Es sei auch irrelevant wie das Gericht die G20 findet oder die Polizeistrategie beim Gipfel. Selbst wenn das Gericht diese nicht gutheißen würde, hätte es keine Relevanz.

Richterin Boddin sagt, dass es unverhältnismäßige Polizeigewalt bei G20 und auch im Rondenbarg gegeben habe und diese auch zum Teil in Videos zu sehen sei. Die Polizeigewalt im Rondenbarg habe aber erst eingesetzt als sich die Personen dort schon schuldig gemacht hatten. Bereits in der Schnackenburgallee sei alles schon gelaufen gewesen, da sei nichts mehr zu machen gewesen. Sie verstehe, dass es unbefriedigend sei, dass die Polizeigewalt nicht aufgearbeitet wurde, aber die Kammer habe etwas anderes zu klären gehabt.

Sie führt weiter aus, dass es bereits vor im Vorfeld des Gipfels gewalttätige Aktionen gegeben habe. Es gab ein Großaufgebot der Polizei in Hamburg. Die Versammlungsbehörde hatte eine „Blaue Zone“ und um die Messehallten eine „Rote Zone“ erlassen. Es gab verschiedene Bündnisse gegen den G20-Gipfel, dazu hätten NoG20 mit der postautonomen IL, das autonome Bündnis Welcome to Hell und das antiimperialistische Bündnis Fight G20 mit dem Roten Aufbau gehört. Bei Fight G20 wäre auch die Antikapitalistische Aktion Bonn ein Teil gewesen. Die Unterkunft, das Camp in Altona, hätte zunächst federführend der Rote Aufbau und später dann maßgeblich die IL organisiert.

Für den 07.07.2017 habe NoG20 mit Color the Red Zone verschiedenfarbige Finger geplant, welche Richtung Rote Zone ziehen sollten, um den reibungslosen Ablauf des Gipfels zu stören. Die Aktion sollte anschlussfähig für viele Menschen sein, vermittelbar, kreativ und bunt, Polizeiketten sollten durchflossen werden. Es hieß im Aktionskonsens: Von uns wird keine Eskalation ausgehen. Laut der Richterin waren die Personen des Schwarzen Fingers daran nicht beteiligt, sie hätten einen anderen Konsens gehabt.

Fight G20 habe geplant sich dem Fingerkonzept anzuschließen aber auch mit anderen Aktionen und mit einer Personengruppe, die überwiegend schwarz gekleidet war. Sie waren zeitlich in den Rahmen von Color the Red Zone eingefügt, aber mit einem eigenen militanten Aktionsbild. Der Schwarze Finger habe eine massive Störung des Gipfels erreichen wollen. Es sei nicht nur um Blockaden, sondern auch um Aktionen gegen Symbole des Kapitalismus gegangen. Bei einem Aufeinandertreffen mit Polizei sei ein Bewurf geplant gewesen, eine Verletzung von Polizisten und Beschädigung von Polizeifahrzeugen sei billigend in Kauf genommen worden.

Der eine Angeklagte gehörte laut dem Gericht 2017 zu AKAB. Er habe sich um die Mobilisierung gekümmert und den Sonderzug nach Hamburg mitorganisiert. Er sei mit diesem Zug nach Hamburg angereist und habe sein Zelt im Barrio Rosso auf dem Camp in Altona aufgeschlagen. Dort habe am Vorabend ein Treffen für die Blockadeaktionen stattgefunden. Über die andere Angeklagte sind dem Gericht keine Einzelheiten bekannt, auch nicht über Bezugspersonen. Das Gericht spekuliert über eine Mitgliedschaft in der Radikalen Linken Berlin, kann dazu aber nichts mit Sicherheit sagen.

Vier Gruppen hätten am Morgen das Camp verlassen, der rote, grüne, blaue und der überwiegend schwarz gekleidete Finger. Der Schwarze Finger kam gegen 6 Uhr über die Sylvesterallee zur Schnackenburgallee. Schon im Bereich des Stadions seien die Personen überwiegend schwarz gekleidet gewesen und mehr als die Hälfte habe eine schwarze Kopfbedeckung getragen. Es seien häufig schwarze Sportschuhe mit weißen Sohlen getragen worden. Transparente mit dem Spruch „Gegenmacht aufbauen – Kapitalismus zerschlagen“ seien mitgeführt worden.

Die Angeklagte habe schwarze Turnschuhe mit weißer Sohle von Deichmann getragen, blaue Jeans, schwarze Regenjacke, Handschuhe und schwarzen Rucksack. Der Angeklagte habe auch schwarze Turnschuhe mit weißer Sohle getragen allerdings nicht von Deichmann sowie eine schwarze Jacke, schwarzen Rucksack und rotes Halstuch.

Laut der Richterin hätten die Angeklagten Kenntnis von dem Aktionsbild gehabt, ihnen sei bekannt gewesen, dass es zu Angriffen auf die Polizei kommen kann sowie zu Farbschmierereien. Sie hätten in Kauf genommen, dass ein einschüchternder Eindruck auf die Bevölkerung entstehen könnte sowie auch auf Polizeikräfte bei einem Aufeinandertreffen. Die Angeklagten hätten mit ihrem Auftreten zu dieser Wirkung beigetragen und dies habe ihnen klar sein müssen. Es wäre ein Zeichen der Solidarität mit den Gewalttätern gewesen, denen dadurch ein Untertauchen ermöglicht worden wäre.

Nicht billigend in Kauf genommen hätten die Angeklagten Gewalt gegen den ÖPNV und gegen zivile Personen, da dies deren Fernziel zuwiderlaufen würde. Im vorderen Teil sei der Aufzug geschlossen gewesen, hinten sei es weniger dicht gewesen. In der Sylvesterallee seien mit dem Megafon Redebeiträge gehalten und Parolen gerufen worden.

Der Zeuge Holger F. habe den Aufzug passieren lassen und sei dann hinterhergefahren. Ihm sei mulmig zumute gewesen und er habe sein Fahrzeug verriegelt. Er habe ausgesagt, dass die Personengruppe auf Krawall aus gewesen sei.

Ein Verkehrsschild sei in einen Werbeträger geworfen worden. Ob dabei Schäden entstanden sei unklar. Solche Aktionen hätten die Angeklagten billigend in Kauf genommen und sie hätten die handelnden Personen durch ihre Kleidung darin bestärkt. Personen hätten Steine zerkleinert. Dies habe der Angeklagte mitbekommen und er habe gewusst, dass diese als Wurfgeschosse verwendet werden würden. Es sei die Parole „Mach ne Faust aus deiner Hand, verwandle Wut in Widerstand“ skandiert worden.

Ein Zeuge habe gesagt, er sei verloren, wenn die Gruppe sich ihm nähert. Die Richterin sagt, Angst wäre auch kein rationales Gefühl. Es sei gegen einen PKW getreten worden. Die Aussage der Verteidigung, dass sich dieser dem Aufzug zu stark genähert habe, ist für das Gericht Spekulation. Es sei auch unklar, ob die Angeklagten diese Situation wahrgenommen haben.

Der Zeuge Daniel D. fuhr mit Abstand mit einer Kehrmaschine. Er habe Unbehagen empfunden. Ein anderer Zeuge, ein LKW-Fahrer sei nur verärgert gewesen, andere Zeugen hätten Angst um ihre Autos gehabt. Es seien Bauzäune auf die Straße gezogen worden von links auf die Gegenfahrbahn in der Schnackenburgallee. Ob die Angeklagten dies wahrgenommen haben, sei unklar. Autofahrer seien einfach darübergefahren. Ab der Autobahnbrücke sei der Auftritt noch geschlossener und zügiger gewesen. Der Ausdruck sei noch bedrohlicher und martialischer geworden.

Es sei ein blauer Nebeltopf gezündet worden, diesen müssen die Angeklagten wahrgenommen haben. Damit sollte Militanz dargestellt werden. Eine weitere Zeugin, die in einem Gebäude an der Strecke war, habe die Gruppe als einschüchternd empfunden. Sie habe Angst gehabt, dass PKWs beschädigt werden könnten. Auf der Höhe der Firma Autoteile Matthies seien von Personen Mülleimer auf die Fahrbahn in Richtung PKW geschoben worden. Dies würde laut der Richterin das Krawallige der ganzen Veranstaltung unterstreichen. Es sei unklar, ob die Angeklagten dies mitbekommen haben. Die Sinnhaftigkeit davon ist der Richterin nicht klar, es kann nur darum gegangen sein, Unruhe zu stiften und die Polizei zu provozieren. Im weiten Sinne passe es zum Aktionsbild.

Bezüglich der Bushaltestelle geht das Gericht davon aus, dass nur der Fahrplanhalter beschädigt wurde. Dies muss der Angeklagte wahrgenommen haben. Die Angeklagten haben dies nicht gebilligt, da so eine Handlung nicht Teil des Aktionskonsens gewesen wäre. Es sei eine Fassade mit NoG20 besprüht worden. Es ist unklar, ob die Angeklagten dies wahrgenommen haben, aber sie hätten es gebilligt.

Bei der Einmündung in den Rondenbarg sei der Schwarze Finger auf die Polizeieinheit Eutin getroffen und es sei ein kurzer heftiger Bewurf mit Steinen und Pyrotechnik erfolgt. Die Richterin bezieht sich dabei auf den Zeugen Jokschat, welcher die Einheit aufgefordert hatte Schutzkleidung anzulegen. Auch hier sei unklar, ob dies die Angeklagten wahrgenommen haben. Für die Verurteilung sei dieser Bewurf aber nicht entscheidend. Die Angeklagten hätten Solidarität mit den Gewalttätern gezeigt und ihnen ein Untertauchen ermöglicht. Sie hätten die Gewalttäter durch ihr eigenes Auftreten, durch ihre Bekleidung, bestärkt.

Es seien dann im Rondenbarg 14 Steine und vier Böller auf die Einheit Blumberg geworfen worden. Von den Polizeibeamten sei niemand verletzt worden. Das Gericht wisse nicht, wo sich die Angeklagten zu diesem Zeitpunkt befanden. Ob sie es wahrgenommen haben sei auch hier unklar. Die Steine kamen aus dem vorderen Bereich. Wie bereits zuvor hätten die Angeklagten durch ihr Auftreten Solidarität mit den Gewalttätern gezeigt und ihnen ein Untertauchen ermöglicht. Die Polizei sei nach vorne gestürmt, um einen weiteren Bewurf zu unterbinden und Festnahmen zu machen.

Von der anderen Seite seien die Polizeieinheiten Eutin und Hünfeld gekommen. Die Gruppe war faktisch eingekesselt. Um eine „statische Lage“ zu erreichen, habe die Blumberger Einheit auch Schläge und Tritte eingesetzt, was laut Richterin nicht erforderlich gewesen wäre. Ob die Angeklagten davon auch betroffen waren wisse das Gericht nicht, da die Angeklagten nicht mit der Kammer gesprochen haben. Es stürzte der Zaun ein und es kam dabei zu schweren Verletzungen, unter anderem einen offenen Bruch.

Die Angeklagte sei mit Sturmhaube und Handschuhen bei einem blauen Volvo gewesen. Der Angeklagte sei mit Jacke und Kapuze auf dem Parkplatz festgenommen worden. Beide Angeklagte waren bis zum 09.07.2017 in der Gefangenensammelstelle. Die Angeklagten haben keine Einlassungen gemacht. Sie haben nur zu Beginn des Prozesses in ihrer Erklärung gesagt, dass sie Teil der Proteste gegen den G20 waren.

Dass der Angeklagte vor Ort am Rondenbarg war sei mit Videos und Fotos belegt. Bei der Angeklagten gibt es nur das Videomaterial der Polizei. Das Gericht geht davon aus, dass die Angeklagte die Person mit der Sturmhaube in dem Polizeivideo ist und schließt sich dabei den Ausführungen der Staatsanwältin an. Sie geht davon aus, dass die Person nicht vermummt ist da Mund uns Nase zu erkennen sind. Keine Augenzeugen hätten von einem späteren Zustrom von Personen zum Schwarzen Finger berichtet. Die Bekleidung und insbesondere die Schuhe von Deichmann würden darauf hinweisen, dass die Angeklagten über das Aktionsbild Bescheid wussten.

Im Verlauf der Wegstrecke habe der Zug eine kompaktere Form angenommen und sei immer dunkler geworden. Zwar seien nicht alle zu 100 Prozent schwarz gekleidet gewesen, aber der Gesamteindruck wäre schwarz gewesen. Die Aussage der Verdi-Jugend Bonn im Panorama-Beitrag wäre falsch, dass es weiter hinten bunt gemischt gewesen sei, würde nicht stimmen. Es sei ein Schwarzer Finger von A bis Z gewesen, so wie das Erscheinungsbild auch beim Schwarzen Block in der Elbchaussee oder bei der Welcome to Hell Demo war.

Materialblockaden hätten an dieser Stelle keinen Sinn gemacht. Es habe keinen Sinn gemacht, außer den eine krawallige Stimmung zu erzeugen. Den Nebeltopf müssen die Angeklagten wahrgenommen haben. Die Gewalt gegen Privatpersonen habe nicht zum Aktionskonsens gehört und könne den Angeklagten deshalb nicht zugerechnet werden. Ob die Person, die den Fahrplanhalter beschädigt hat zur Rede gestellt wurde ist unklar, diese Aktion wäre auch gegen den Aktionskonsens. Andere Zeugen hätten keine Reaktion auf den Angriff auf die Bushaltestelle beschrieben. Die Aussage der Zeugin Groth bezüglich einer Entglasung der Bushaltestelle sei mit Vorsicht zu genießen.

Zur Wirkung des Schwarzen Fingers auf die Bevölkerung sagt Richterin Boddin, dass dieser geeignet gewesen sei einzuschüchtern und dass er auf die Zeugen auch so gewirkt habe. Angst sei nicht rational und muss sie auch nicht sein, um den Tatbestand der Bedrohlichkeit zu erfüllen.

Dem Zeugen Holger F. sei mulmig gewesen und er habe sein Fahrzeug verriegelt. Der Zeuge Andreas L. habe ausgesagt, dass er überlegt habe sein Auto zu verriegeln, aber Sorge hatte, dass sein Auto umgekippt werden würde. Er habe Panik bekommen und gedacht, wenn die auf mich zukommen, bin ich verloren. Der Zeuge Daniel D. habe ausgesagt, es seien Steine auf die Straße geschmissen worden und es sei wie im Krieg gewesen. Aus dem Publikum ist lautstarker Protest zu hören, die Richterin droht erneut mit Räumung. Die Richterin geht auf weitere Zeugen ein, die Angst um ihr Auto hatten sowie auf zwei Zeug*innen, die sich in Gebäuden an der Strecke befunden hatten. Die Zeugin Marion N. sei beunruhigt gewesen, weil die Gruppe dunkel gekleidet war. Sie habe ausgesagt, dass sie sich nicht mehr aus dem Gebäude raus getraut hatte und allen Bescheid gesagt habe.

Laut Gericht sei es naheliegend, dass Außenstehende beim Anblick des Aufzuges gedacht haben „Oh mein Gott, was haben die denn vor“. Die Richterin sagt: Jeder weiß, dass ein schwarz gekleideter Aufzug nichts Gutes bedeutet. Das wisse die Zivilbevölkerung und die Polizei.

Laut der Kammer gab es den Bewurf auf die Einheit Eutin, das Urteil wäre aber auch ohne den Bewurf so getroffen worden. Die Zeugen Elwert und Koenig-Marx würden sich nicht widersprechen, weil Koenig-Marx schon aus dem Fahrzeug ausgestiegen sei, als der Bewurf passierte. Auf Videoaufnahmen seien Steine auf der Fahrbahn zu sehen und ein qualmender Gegenstand. Die EPS-Webprotokolle seien keine lückenlosen Dokumentationen, deswegen könne es sein, dass der Bewurf dort nicht enthalten ist.

Der Schwarze Finger sei eine eigenständige Aktion gewesen und nicht Teil von BlockG20. Es sei unstrittig, dass der Angeklagte bei AKAB war. In einem Protokoll von einem Treffen hätte es geheißen: wir wollen in die Innenstadt, es braucht ein Konzept, um sinnlose Militanz zu verhindern. Die Richterin sagt, dies würde heißen, dass es also auch sinnvolle Militanz gebe.

Bei einer Hausdurchsuchung seien Skizzen gefunden worden, die dem Aktionsbild entsprechen würden. Darin würde stehen, dass Aushängeschilder des Kapitalismus angegangen werden sollen, dies bedeutet für die Richterin sie sollen beschädigt werden. In der Broschüre Fight G20 würde auch der Slogan Gegenmacht aufbauen stehen, dies passe zum Transparent das am 07.07.2017 getragen wurde.

Der Schwarze Finger sei nicht auf der Pressekonferenz von BlockG20 vertreten gewesen. Die IL habe auf Twitter vermeldet, dass sämtliche Finger in die Rote Zone gekommen seien, der Schwarze Finge wurde nicht erwähnt, somit sei dieser auch nicht Teil von BlockG20 gewesen.

Professor Haunss habe sich in seinen Aussagen zum Schwarzen Finger auf die Verdi-Jugend Bonn bezogen, deren Aussagen aber unzutreffend seien. Laut Haunss beziehe sich schwarz auf autonom und anarchistisch. Der Schwarze Finger und Schwarze Blöcke seien laut Haunss etwas Unterschiedliches. Haunss habe nicht geglaubt, dass es auch einen nicht veröffentlichten Aktionskonsens gegeben habe. Hier habe Haunss sich getäuscht.

Dass der VS im Vorfeld nichts vom Schwarzen Finger wusste, habe an dem konspirativen Vorgehen gelegen. Die Kammer bezieht sich auf den Zeugen Licht vom VS, der ausgesagt hatte, dass Schwarzer Block und Schwarzer Finger für ihn das gleiche seien. Wer keine Gewalt wolle, gehe nicht in den Schwarzen Finger.

Der Angeklagte sei im Rahmen von Fight G20 in die Organisierung eingebunden und informiert gewesen. Es habe vermutlich an Treffen im Vorfeld und wohl auch bei dem Blockadetreffen am Vorabend teilgenommen, falls nicht wäre der Angeklagte auf jeden Fall darüber informiert worden. Der Angeklagte habe am Ende im Aufzug seine Jacke geschlossen. Die Angeklagte habe nicht nur schwarze Bekleidung, sondern auch die ominösen Deichmann-Schuhe getragen und Handschuhe angehabt. Die Angeklagten wussten mit wem sie da laufen. Es sei eine Abgrenzung von freundlich und friedlichen Menschenblockaden gewesen.

Die Angeklagten werden verurteilt wegen Landfriedensbruch Paragraf 125: Wegen Mittäterschaft in Bezug auf Bedrohungen von Menschen mit einer Gewalttätigkeit (Absatz 1 Nr. 2) und wegen Beihilfe in Bezug auf Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen (Absatz 1 Nr. 1). Außerdem zu Beihilfe wegen versuchter schwerer Körperverletzung, Beihilfe zu tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte und Beihilfe zu Sachbeschädigung.

Ein rechtswidriges polizeiliches Vorgehen stehe der Strafbarkeit nicht im Wege. Das Aufstoppen und die Identifizierung der Personen sei rechtmäßig gewesen. Bereits in der Schnackenburgallee sei alles schon gelaufen gewesen.

Die Strafzumessung werde gemildert, da das Geschehen schon lange zurückliege, die Angeklagten damals noch sehr jung waren und eine große Belastung durch die Hauptverhandlung gegeben war. Strafverschärfend seien die Vorbereitung und dass sich das Geschehen über eine lange Wegstrecke hinzog. Im Vergleich zur Elbchaussee handele es sich hierbei aber um Peanuts.

Die Richterin sagt man müsse immer beide Seiten sehen. Aus dem Publikum wird Unmut geäußert. Die Richterin sagt, die Angeklagte habe sich respektlos während der Hauptverhandlung gezeigt, da sie gelesen und gegessen habe. Das Publikum applaudiert. Sie verstehe dieses Verhalten nicht, da die Kammer freundlich eingestellt gewesen wäre. Im Publikum gibt es weiter Protest, die Richterin schreit, sie wäre nicht autoritär. Es hätten bis zum Ende Feindbilder bestanden.

Die Richterin sagt, dass die Strafe, da sie nicht höher als 90 Tagessätze ist, nicht im Führungszeugnis auftauchen wird. Eine Revision könne innerhalb von einer Woche eingelegt werden. Die hohen Verfahrenskosten würden schmerzhaft sein.

Der Prozess ist gegen 13:30 Uhr beendet.