Zu Beginn des zweiten Prozesstages geht die Richterin auf das Gespräch nach der Sitzung am 18. Januar ein. Sie verliest dazu einen Vermerk über die Möglichkeit der Einstellung gegen Auflagen für alle Angeklagten. Bei der Erörterung waren neben den Richter*innen alle Anwält*innen, die Staatsanwaltschaft und die fünf Angeklagten anwesend. Die Richterin sagt, dass das Hooligan-Urteil nicht auf das Rondenbarg-Verfahren übertragen werden kann. Stattdessen will sie es eher mit der Entscheidung im Elbchaussee-Verfahren vergleichen. Eine Einstellung könne nach § 153a (Absehen von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen) mit einer Geldauflage und einer allgemeinen Form der Distanzierung von Gewalt bei Demonstrationen erfolgen.
Für das Gericht ist die entscheidende Frage diejenige des Landfriedensbruchs; wichtig sei ebenfalls die am Vortag angesprochene Frage der Rechtsanwält*innen, ob Zivilbeamt*innen beteiligt waren. Laut Richterin ist zumindest für den Beginn der Rondenbarg-Demo von einer politischen Versammlung auszugehen.
Die Verteidigung sagt zum Angebot der Einstellung mit Auflagen, dass es sich um eine weitreichende Entscheidung handelt, für die sie und ihre Mandant*innen noch nicht genügend Zeit hatten, sich zu besprechen; die Positionen der Staatsanwaltschaft zu einer möglichen Einstellung ist neu und war vorher so nicht da und konnte also entsprechend noch nicht besprochen werden.
Da sie von einer hohen Freispruchwahrscheinlichkeit ausgehen, wäre die Einstellung ein Entgegenkommen der Verteidigung. Es muss außerdem geprüft werden, ob die Einstellung für den Aufenthalt der einen Mandantin ausreicht. Die Staatsanwaltschaft unterstellt, es wäre erforderlich eine Distanzierung von Gewalt zu machen, es gibt aber keine Vorwürfe gegen die Angeklagten, dass sie Gewalt ausgeübt haben. Er wäre somit eine versteckte Verurteilung.
Die Richterin möchte offenbar am liebsten möglichst schnell – zumindest gegen einige Angeklagte – einstellen, betont noch mal die Belastungen durch den anstehenden Prozess und meint, dass doch jetzt die Möglichkeit bestünde, sich hier von diesem belastenden Prozess günstig „freikaufen“ zu können. Sie betont auch nochmals, dass ja gegebenenfalls auch nur einzelne der Angeklagten hier einer Einstellung gegen Auflagen zustimmen könnten.
Um den Druck zu erhöhen, sagt die Staatsanwaltschaft, das Angebot der Einstellung zu den oben genannten Konditionen gelte erst mal nur bis zum Beginn der Vernehmung von Zeug*innen.
Die Entscheidung zu dem Angebot wird auf einen späteren Zeitpunkt vertagt. Es werden keine Einlassungen gemacht und mit der Beweisaufnahme wird begonnen.
Es gibt eine Augenschein-Liste mit der begonnen werden soll. Die Richterin will vorab ein Video von N24 von der Groß-Demonstration vom 08.07.2017 ansehen, welches sie am Vorabend auf YouTube zufällig gefunden habe, das nicht in der Liste enthalten ist und welches die Verteidigung noch nicht kennt. Die Verteidigung legt Widerspruch gegen die Inaugenscheinnahme des Videos ein, da es nichts mit den Geschehnissen am Rondenbarg zu tun hat. Es ist außerdem suggestiv, da dort ein Welt-Journalist sagt, dies wäre eine Demonstration wie sie nach dem Grundgesetz laufen sollte. Das Video wird aufgrund des Widerspruchs der Verteidigung nicht gezeigt.
Es werden zunächst verschiedene Karten und Luftbildaufnahmen der Örtlichkeit (Volkspark Altona, Schnackenburgallee, Sylvesterallee, Rondenbarg) gezeigt. Anwalt Wedel weist darauf hin, dass sich dieser Bereich nicht innerhalb der Verbotszone befunden hat und es dort somit keine Einschränkung des Versammlungsrechts gab.
Außerdem werden mehrere Videoaufnahmen gezeigt. Die Verteidigung weist darauf hin, dass bei den Videos die Angeklagten nicht zu sehen sind. Außerdem zeigen die Videos, dass es sich beim Geschehen am Rondenbarg um eine Demonstration handelt. Die Punkte in der Anklageschrift, es würde in geschlossener Formation marschiert, sind nicht zutreffend. Zudem sind erkennbar nicht alle Teilnehmenden vermummt oder alle schwarz gekleidet. Der Anwalt Klinggräff stellt fest, dass somit auch die Aussagen aus der Anklageschrift, es wären alle einheitlich schwarz gekleidet und einheitlich vermummt gewesen unzutreffend sind. Es sind Transparente und Fahnen zu sehen. Außerdem werden Parolen gerufen und über Megafon ein Redebeitrag gehalten. Alle Kriterien einer Versammlung sind erfüllt.
Der zweite Prozesstag wird bereits gegen 12:30 Uhr beendet. Die Verteidigung und ihre Mandant*innen sollen Zeit bekommen, um das Angebot zur Einstellung nach § 153a zu besprechen.