Der Prozess beginnt etwas verspätet gegen 9:45 Uhr. Etwa 15 Prozessbeobachter*innen nehmen teil und müssen wie bereits die Tage zuvor an einem gesonderten Eingang verschärfte Kontrollen über sich ergehen lassen. Nicht alle Beobachter*innen bekommen den Beginn der Verhandlung mit obwohl sie sich vor 9:30 Uhr am Eingang eingefunden hatten. Die Staatsanwaltschaft ist nur mit einer Person vertreten.
Zu Beginn erwidert die Staatsanwaltschaft auf eine Erklärung von Anwalt Wedel. Sie will in einem Video, welches am dritten Prozesstag gezeigt wurde, die Angeklagte mit Sturmhaube erkannt haben.
Zu den Videos der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) Eutin und dem Video vom Unterstützungskommando (USK) Bayern wird eine Erklärung von Anwalt Wedel abgegeben. Im Video ist der blaue Finger zu sehen, der sich in langsamem Schritttempo auf dem Holstenkamp bewegt. Es ist der Satz eines Beamten zu hören: „Auftrag: Der Aufzug wird aufgestoppt“. Es ist zu sehen wie Polizeikräfte der Versammlung den Weg versperren. Wedel weist darauf hin, dass es sich um eine grundrechtlich durch Artikel 8 Grundgesetz geschützte Versammlung handelt. Der „Einschluss“ einer solchen Versammlung stellt eine polizeiliche Freiheitsentziehung in Form der Ingewahrsamnahme dar. Es handelt sich um eine polizeirechtliche Maßnahme, die ohne vorherige Auflösung der Versammlung nicht zulässig ist.
Bei dem Video vom USK Bayern ist zu erkennen, wie der Grüne Finger mit massivem Einsatz von Schlagstöcken ohne vorherige Warnung am Weiterlaufen gehindert wird. Auch in dieser Situation gab es vorher keine versammlungsrechtlichen Verfügungen der Polizei. Anhand der beiden Vorgänge zeigt sich, dass es sich bei den Einsätzen der Polizei um ein koordiniertes Vorgehen gehandelt hat. Im Rahmen der Hauptverhandlung muss aufgeklärt werden, welche Anweisungen die eingesetzten Polizeikräfte für den Umgang mit Versammlungen am 07.07.2017 erhalten haben.
Zu dem Fernsehbeitrag von NDR Panorama wird erklärt, dass dort eine Fahne zu sehen ist, in weiterer Entfernung zur Spitze der Versammlung. Anwalt Wedel erklärt, dass von diesem Standort Wahrnehmungen zu Vorkommnissen an der Demospitze und insbesondere am Standort der BFE Blumberg nicht möglich sind. Ein Teil der Versammlungsteilnehmer*innen hatte keine Möglichkeit die Würfe von Gegenständen im Rondenbarg zu sehen.
Eine weitere Stellungnahme erfolgt zu dem Foto von einem beschädigten Polizeihelm. Aus der Beschriftung ergibt sich, dass das Bild am 18.07.2017, also elf Tage nach dem Einsatz am Rondenbarg aufgenommen wurde. Eine derartige Beschädigung eines Helmes im Rondenbarg ist außerdem auf keinem der Videos vom Tag des Einsatzes sichtbar.
Anwalt Schrage erklärt, dass es nicht klar ist wie es zu Schäden an zwei PKWs kam. Ein Bild eines Volvo-Schadens wurde am 31.08.2017 gemacht und ein Kostenvoranschlag am 29.09.2017 gestellt. Weder ist klar, ob es Vorschäden oder Schäden nach dem 07.07.2017 gab, noch woher überhaupt. Wegen eines Schadens an einem Mercedes wurde am 13.12.2017 Anzeige erstattet und am 27.12.2017 Fotos übersandt. Dazu die Versicherung: „Verursacher der Beschädigungen unklar“ und „ob es sich um neue oder alte Schäden handelt, kann nicht ermittelt werden“.
In einer weiteren Erklärung geht Anwalt Schrage darauf ein, dass der Hamburger Verkehrsverbund am 10.07.2017 feststellte, dass es keine Beschädigung an einer Bushaltestelle in der Schnackenburgallee gegeben hat. Erst einen Tag später, am 11.07.2017 wird ein Schaden an einem Bushaltestellen-Infokasten festgestellt. Des weiteren erklärt Anwalt Schrage, dass es anders als die Polizei behauptet unwahrscheinlich sei, dass vier Steine ein Polizeifahrzeug der BFE Blumberg im Rondenbarg getroffen haben. Auf wundersame Weise haben diese Treffer laut Polizeiangaben nämlich keine Schäden verursacht.
Anwältin Rohrlack erklärt, dass in einem NDR-Video in dem Vertreter*innen der Verdi-Jugend zu den Ereignissen am 07.07.2017 sprechen, diese schildern wie sie per Megaphon eine vermummte Person ermahnen, die anscheinend vorhatte eine Bushaltestelle zu beschädigen. Weiter erklärt Anwältin Rohrlack, dass es keinen Plan gab Polizei anzugreifen und dies auch in Redebeiträgen per Megaphon auf der Demonstration kundgetan wurde. Anwältin Rohrlack geht weiter darauf ein, dass einem Angeklagten aus einer anderen Rondenbarg-Prozess-Gruppe vorgeworfen wird einen Rucksack mit Pyrotechnik mitgeführt zu haben. Auf Videoaufnahmen ist aber zu erkennen, dass der Angeklagte einen anders aussehenden Rucksack trug und dieser Rucksack mit Pyrotechnik ihm durch die Polizei im Nachgang zugeordnet wurde.
In einer weiteren Erklärung führt Anwalt Richwin aus, dass wenn bei einer Versammlung einzelne unfriedlich sind, dies nicht dazu führt, dass die gesamte Demonstration nicht mehr von der Versammlungsfreiheit geschützt ist. Um eine Versammlung polizeilich aufzulösen muss eine Auflösungserklärung der Polizei erfolgen. Wenn diese nicht erfolgt sind Körperverletzungen durch die Polizei strafbar.
Es folgt eine weitere Zeug*innenvernehmung. Der auf Geheiß der Staatsanwaltschaft geladene Zeuge Daniel D. gibt an nach fast sieben Jahren nur noch grobe Erinnerung an den 07.07.2017 zu haben. An diesem Morgen sei er eine Kehrmaschine gefahren. In der Schnackenburgallee habe er etwa 100 bis 200 Menschen gesehen die alle eine „Haube“ oder „Kapuze“ auf dem Kopf trugen. Alle hätten angefangen den Gehweg zu demolieren und hätten Steine rausgerissen und auf die Straße geworfen. Er sei mit seiner Kehrmaschine auf dem Gehweg gefahren und die Demonstration sei direkt vor ihm auf dem Gehweg auf der Schnackenburgallee gelaufen. Bevor er in den Rondenbarg fuhr sei die Polizei von vorne gekommen und die Personengruppe habe sich auf der Schnackenburgallee zerstreut.
Die Richterin zitiert aus dem polizeilichen Zugen*innenprotokoll, welches im Zuge der Befragung 2018 erstellt wurde. Dort gab er damals an, dass eine Gruppe von vier oder fünf Menschen Steine auf die Straße geworfen hätten. Die Richterin merkte an, dass es nicht sein kann, dass er in den Rondenbarg fuhr, weil es dort durch die Polizei kein Durchkommen gab.
Der Zeuge hatte der Polizei Videos, die er während der Fahrt machte, zur Verfügung gestellt. Die beiden Videos werden gezeigt. Darauf ist die Demonstration von hinten zu sehen. Der Zeuge gibt an mit seiner Kehrmaschine auf dem Rückweg gegen 10 Uhr vormittags Scherben an einer Bushaltestelle in der Schnackenburgallee eingekehrt zu haben.
Am Ende der Befragung gibt der Zeuge an, dass die Polizei, die mit großen Fahrzeugen auf die Demo von vorne zufuhr, sich etwa auf Höhe Winsbergring befand, als der Demonstrationszug in den Rondenbarg einbog.
Nach der Mittagspause erklärt Anwalt Wedel, dass der soeben gehörte Zeuge im polizeilichen Protokoll angab, dass die Polizeifahrzeuge 100 Meter entfernt gewesen seien, als die Demonstration in den Rondenbarg bog. Der jetzt vom Zeugen angegebene Punkt – Winsbergring – sei sogar 250 Meter entfernt. Der von der Staatsanwaltschaft behauptete Bewurf der Eutiner Hundertschaft sei somit auszuschließen.
Als nächstes wird der Zeuge Ralf B. gehört. Er sei hinter einem großen Müllfahrzeug mit Drehtrommel gefahren. Vor dem Müllfahrzeug sei die Demo gelaufen. Er gibt an, dass zwei Bauzäune von der Baustelle bei der Firma Matthies in der Schnackenburgallee auf die Straße gelegt worden. Gesichter derer, die die Bauzäune auf die Straße legten, konnte er nicht erkennen. Diese waren eventuell mit einem Schal verdeckt. Ebenfalls seien Steine und Müllcontainer von dieser Baustelle auf den Gehweg geschmissen worden. Eine Scheibe von einer Bushaltestelle sei kaputt gewesen. Ihm sei nicht klar, wie es zu diesem Schaden kam. Alle seien im „spazierschritt kreuz und quer“ gegangen. Es wurde „gegrölt“. Es sei für ihn nicht zu verstehen gewesen. Es gab einige die bunt gekleidet waren. Die Bauzäune seien von zwei Müllwerkern die aus der Beifahrertür des Müllfahrzeuges stiegen beiseite geräumt worden. Diese seien in orange gekleidet gewesen. Als die Polizeifahrzeuge, es waren Wasserwerfer und ein gepanzertes Fahrzeug, auf der Schnackenburgallee auf die Demo zukamen ist die Demo in den Rondenbarg gelaufen.
Im Zeug*innenprotokoll welches 1,5 Jahre nach G20 durch die Polizei erstellt wurde, hatte der Zeuge angegeben, dass vier oder fünf Steine auf die Firma Matthies geworfen worden seien. Er gibt an sich an diese Situation nicht mehr erinnern zu können.
Die Polizei ist auf ihn als Zeugen durch Videoaufnahmen seines Fahrzeuges über das Nummernschild in der Schnackenburgallee gekommen. Anwalt Richwin betont, dass auf den Videoaufnahmen der Eutiner Hundertschaft kein großes Müllfahrzeug zu sehen ist. Am Ende der Demo liefen Personen, die orangefarbene Westen trugen. Ob diese statt die Müllwerker die Bauzäune von der Straße räumten bleibt offen.
Nachdem eine neue Augenscheinliste verteilt wurde, wird die Sitzung etwa um 14:30 Uhr unterbrochen. Morgen soll doch nochmal im großen Saal verhandelt werden, weil der kleinere Saal 288 besetzt sei.