Am 7. Prozesstag werden immer noch verschärfte Einlasskontrollen durchgeführt. Der Prozess findet das erste Mal im kleineren Staatsschutzsaal 288 statt. Etwa 15 Prozessbeobachter*innen nehmen teil. Von der Staatsanwaltschaft ist nur noch die Untergebene von Staatsanwalt Helfen – Staatsanwältin Meesenburg – anwesend.
Gleich zu Beginn kündigt die Richterin an, dass im Anschluss an den morgigen Verhandlungstag eine Rechtsbesprechung stattfinden soll. Bei dieser sollen alle mal sagen „was sie wollen“ und wie es aus ihrer Sicht weiter geht mit der Beweisaufnahme.
Es folgen drei Erklärungen von den Anwält*innen Wedel, Rohrlack und Richwin.
Anwalt Wedel erklärt, dass durch die bisherigen Zeug*innenaussagen der von der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift vorgeworfene Bewurf der Eutiner Hundertschaft auf der Schnackenburgallee widerlegt ist und die Versammlung offensichtlich einen Kontakt mit der Polizei vermeiden wollte. Mit diesem angeblichen Bewurf wird in der staatsanwaltlichen Anklageschrift der Polizeieinsatz im Rondenbarg gerechtfertigt.
Anwältin Rohrlack erklärt zu einem im Selbstleseverfahren eingeführten Chatverlauf der Bonner Verdi-Jugend, welcher Teil der Akte ist und mit dem die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten Nils J. eine übergeordnete Organisationsrolle vorwirft, dass Nils J. lediglich klassische Aufgaben eines Geschäftsführers ausgeführt hat. Zu diesem Zeitpunkt war Nils J. Geschäftsführer der Bonner Verdi-Jugend.
Anwalt Richwin gibt eine Erklärung zur Aussage des Zeugen Daniel D. ab. Der Zeuge hatte beim Prozess ausgesagt, es haben „kriegsähnliche Zustände“ auf der Schnackenburgallee geherrscht. Richwin stellt diesen Eindruck dem tatsächlichen Geschehen gegenüber. Im Unterschied zu einem Kriegszustand gab es in der Schnackenburgallee keine Toten oder Verletzten sowie keine zerstörten Wohnhäuser. Es gab dort auch keine beschädigten Fahrzeuge. Außer einigen Gegenständen auf der Straße, die offenbar umgehend wieder entfernt wurden, wird nur eine Sprüherei und eine Beschädigung an einer Bushaltestelle angeführt. Richwin führt weiter aus, dass Vandalismus an Bushaltstellen gewöhnlich keine Einschüchterungswirkung auf Teile der Bevölkerung hat. Aus der Schilderung des Zeugen und auch dem Aktenbestand ergibt sich in der Schnackenburgallee am Morgen des 07.07.2017 keinerlei Bedrängung oder gar Angriff auf Passant*innen oder deren Fahrzeuge. Für eine persönliche Bedrohung des Zeugen gab es also keinerlei Anknüpfungstatbestand. Anwalt Richwin erläutert, dass sich dieses subjektive Bedrohungsgefühl für den Zeugen ganz offensichtlich erst im Nachherein ergeben hat, als er das persönlich Erlebte in das Gesamtgeschehen der G20-Proteste in Hamburg einbettete. Die mediale Vermischung mit Bildern aus anderen Teilen der Stadt erfolgte erst im Laufe des Tages und erweckte so den fälschlichen Eindruck eines vergleichbaren Geschehens. Es lässt sich somit feststellen, dass die dramatisierende Bewertung des Zeugen bezüglich des Geschehens auf der Schnackenburgallee jeglicher Grundlage entbehrt.
Anschließend werden zwei Zeugen angehört. Zeuge Peter B. fährt in seinem PKW am Morgen des 7. Juli 2017 zur Arbeit, nimmt Personen wahr, die sich in der Schnackenburgallee Richtung Rondenbarg bewegen. Er sieht aus der Gruppe ein paar Personen, die sich trennen und versuchen einen Müllcontainer auf die Straße zu schieben, dem er ausweichen konnte. Er habe für einen Augenblick einen Schreckmoment gehabt, fühlte sich aber nicht bedroht. Polizeifahrzeuge habe er nicht wahrnehmen können nur eine Demonstration bei der einige Personen vermummt waren. Auf Geheiß der Staatsanwältin, die die Ermittlungen gegen Fabio V. führte wurden im Februar 2018 Firmen in der Schnackenburgallee durch die „Soko Schwarzer Block“ aufgesucht. So auch die Firma Coim bei der Zeuge Peter B. beschäftigt ist.
Nach einer zweieinhalbstündigen Mittagspause geht um 13 Uhr die Verhandlung weiter. Zeuge Glenn K. wird gehört. Auch er arbeitet bei der Firma Coim. Aus einem Fenster der Firma sieht er eine Gruppe, die überwiegend schwarz gekleidet gewesen sei. Diese trug weiße Transparente – einige Personen rote Warnwesten. Die Gruppe wirkte bedrohlich. Vom Labor aus hatte er Videoaufnahmen gemacht. Es sei außergewöhnlich gewesen, dass da Menschen laufen, wo sonst nur Autos fahren. Er habe aber nur eine eingeschränkte Sicht gehabt. Falls etwas passiert, könne das Video als Beweismaterial dienen, so der Zeuge. Die Gruppe sei im vorderen Bereich geordnet gelaufen – im hinteren teils durcheinander. Auf Nachfrage der Richterin gibt er an nicht gesehen zu haben, dass Steine geworfen oder Zäune auf die Straße gelegt wurden. Er sah keine Veranlassung die Polizei zu rufen, da ja nichts passiert sei. Auch er wurde wie zwei seiner Kolleg*innen von der Polizei vernommen. Mehrere Videos werden gezeigt. Diese seien durch ihn und seine Kollegin mit dem Handy vom Firmengebäude aus aufgenommen worden. Die Polizei hatte sie damals aufgefordert ihnen die Aufnahmen zukommen zu lassen.
Gegen 14 Uhr wird die Verhandlung bis zum morgigen Prozesstag unterbrochen.